Montag, 28. Juli 2014

Mein Leben als Küchenfee

Wenn du Hilfe brauchst, stehe ich gerne zur Verfügung.“ Dieser gegenüber Elisabeth Grunau leichtsinnig daher gesagter Satz brachte mich ins Küchenteam des Ferienlagers der KjG Neuenburg. Das war zwar von mir ganz und gar nicht so beabsichtigt, doch Elisabeth teilte mich kurzerhand dem Küchenteam zu. Schüchtern warf ich ein, ich wolle aber nur eine Woche mitgehen, gnädigerweise wurde meiner Bitte entsprochen und ich entschied mich für die zweite Woche. Es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens.

Châtelard also. Am Fuße des Mont Blanc idyllisch gelegen. Weniger idyllisch war die Küche. Alte Pfannen und Töpfe, ein Herd, der nicht richtig funktionierte, viel zu wenig Geschirr, kaum Kühlmöglichkeiten für die von uns mitgebrachten Lebensmittel. Machte aber nix, es geht noch schlimmer, meinte Bettina, in was weiß ich wo war die Küche in einen Felsen gehauen und hatte kein Tageslicht. Und wir konnten wenigstens das Gemüse draußen bei herrlichem Sonnenschein schnippeln.

Die Woche war ratz-fatz um. Mir war bis dahin nicht bewusst, dass es Kinder gibt, die ständig von einem nagenden Hungergefühl befallen sind. In Falle des Ferienlagers betraf dies sämtliche Teilnehmer. Wohlgemerkt hätten die Portionen mühelos eine Bundeswehrkompanie gesättigt.

Bei Dienstantritt war ich der irrigen Meinung, mein Leben bestünde fortan nur aus kochen und Töpfe reinigen (und beten, natürlich). Weit gefehlt. In einer Woche Châtlard mutierte ich zur menschlichen Pyramide, ich wurde beinahe Lagerstar (im Duett mit Theresa), zusammen mit Gaby und Bettina machte ich die Nacht zum Tag und wir trieben damit unsere Töchter in den Wahnsinn. Ich triumphierte im Mörderspiel über Christian Grumber, was mir danach nie wieder gelingen sollte. Kurz gesagt, mein Entschluss, im nächsten Jahr wieder mit ins Lager zu gehen (und zwar für 2 Wochen), stand noch vor der Heimreise fest.

Lenzerheide. Schon besser als Châtelard. Mit Andreas Hofmann einen Profikoch dabei, was am Speiseplan deutlich zu sehen war. Allerdings wurde in Lenzerheide die Mitglieder des Küchenteams ihrer Individualität beraubt. Wir wurden der Einfachheit halber schlicht als „Küche“ tituliert. Als „Küche“ bereiteten wir die Mahlzeiten zu, heilten kleine und größere Blessuren und zur Belohnung durften wir die ganz großen Verletzungen im Dorf bei einem mehr als ansehnlichen Bergdoktor verarzten lassen.
In Lenzerheide klebte ich wie ein nasser Sack am Berghang, fiel von der Schaukel und labte mich des Abends nach einem ereignisreichen Tag am lieblischen Roten von der Kerstin und am Röteli der Vermieter. Zum Leidwesen der Leiterinnen, die über unserem Stübli schliefen und sich über den Lärm beschwerten, den wir angeblich gemacht hätten.

Was das Haus, die Umgebung und - vor allem die Küche – angeht, war das Haus Planatsch in Rueras/Sedrun kaum zu schlagen. In völliger Alleinlage war es total egal, wenn die Kinder lärmten oder sich todesmutig auf der Wasserrutsche den Berg runter warfen.




Es war nicht schlimm, wenn es mal regnete, und wenn einer nervte hatte man genug Platz, um sich aus dem Weg zu gehen. Und das Küchenteam hatte einen eigenen Trakt, für Kinder und Leiter tabu, mit einer Waschmaschine. Ich durfte Yogaübungen im Morgengrauen bestaunen und Lamas zogen am Küchenfenster vorbei.

der Beweis - kochen macht Spaß
Die Küche ist ein Traum und erleichterte die Arbeit ungemein, so dass genug Freizeit bliebt um zu lesen, Bändchen zu knüpfen, am Nachmittag den fehlenden Schlaf nachzuholen oder einfach auf dem herrlichen Balkon zu chillen.
chillen für Fortgeschrittene

ABBA - oder so ähnlich

Man war zwar immer noch „die Küche“, aber dafür wurde man durch das -größtenteils- liebenswerte Leiterteam mehr als entschädigt. Oder als musikalisches Highlight am letzten Lagerabend gebucht.




Also alles Friede, Freude, Eierkuchen (oder Himbeertraum)? Ganz und gar nicht. Gibt es Leiter, die nerven? Aber Hallo! Kinder, die „besonders“ sind? Ohne Zweifel. Fängt der Tag in der Küche viel zu früh an? Für mich definitiv.

Nun also Lenzerheide, zweite Auflage, anderes Haus. Alles ein bis zwei Nummern kleiner. Wir werden wieder zusammenrücken müssen - ein bisschen wie Châtelard. Mit einer schönen Küche. 




Montag, 21. Juli 2014

Grenzwertig

Am letzten Donnerstag traf sich der Arbeitskreis Frauen mit Lebenserfahrung zum Meinungsaustausch unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebenssituation bei Gastgeberin und Dozentin Elke. Unter den weiteren Anwesenden Gaby, Babsi, Traudl-Andi und mir entwickelte sich recht schnell eine angeregte und äußerst fruchtbare Diskussion, nicht zuletzt auf Grund der qualifizierten Redebeiträge. 

Die umfangreiche Abendordnung beinhaltete auch die Frage nach den Einkaufsgewohnheiten. Für die in der dörflichen Idylle von Niederweiler beheimateten Babsi kein besonders erwähnenswerte Tätigkeit der täglichen Routine, Traudl-Andi wohnt in einer WG und ich weiß gar nicht mehr, wer da für den Einkauf zuständig ist. Die restlichen Neuenburger holten erst einmal tief Luft.

Gaby erledigt ihre Einkäufe so gut es geht - ich wage es an dieser Stelle kaum zu schreiben - in Müllheim. Elke schleicht sich vor dem Morgengrauen aus dem Haus, um als erste den Laden zu betreten. Und ich schicke Bernie.

Grund für unser seltsames Verhalten sind unsere westlichen Nachbarn, die uns wirklich alles an Geduld, Toleranz und einem Höchstmaß an Gelassenheit abverlangen. 

Dabei unterscheiden wir durchaus zwischen den Lidl-Aldi-DM-Tabac-Franzosen und den ModeBuck-SchuhLamm-Einzelhandels-Franzosen. Ich möchte an dieser Stelle auch nicht polemisieren und den Franzosen vorhalten, dass sie sind, wie sie sind. "Wir" sind manchmal auch recht merkwürdig. So mutet es doch sehr befremdlich an, dass wir anscheinend nicht mal in der Lage sind, einen WM-Sieg zu feiern, ohne dass sich der mahnenden Zeigefinger der politischen Korrektheit erhebt.

Andererseits nervt es. Es nervt, die kulturellen Unterschiede Tag für Tag zu ertragen. Gestern fuhr ich mit 70 km/h von Müllheim nach Neuenburg. Wir Deutschen fahren von A nach B so schnell wie möglich. Alles andere ist vertane Zeit. Franzosen haben im Auto anscheinend alle Zeit der Welt. Wahrscheinlich ist die Zeit im Auto für französische Familien die einzige Möglichkeit, sich in aller Ruhe zu unterhalten.

Es nervt, wenn man hinter einem Auto warten muss, weil der Fahrer bei laufendem Motor (entgegen der Fahrtrichtung versteht sich) vor dem Tabacladen hält um sich Zigaretten zu kaufen. Das mag in Frankreich üblich sein, bei uns eben nicht. Und dass es Franzosen überhaupt nicht stört, dass uns das stört, macht die Sache sehr anstrengend. 

Es nervt, wenn man erst drei, vier Einkaufswagen rangieren muss, um an das gewünschte Regal zu gelangen, wenn das Auto auf dem Parkplatz neue Kratzer und kleine Dellen aufweist oder wenn man an der Kasse steht und dem Vordermann reicht das Geld nicht - bei einem Einkaufswert von weit über € 200
Und nein, Ihre Kreditkarte funktioniert hier nicht. Pardon?

Vielleicht klingt dies alles für die französischen Einkaufstouristen kleinkariert, engstirnig und spießig. Aber so sind wir nun mal. Und vielleicht ist das der Grund, wieso man "die Franzosen" als Belastung empfindet - weil man unsere Befindlichkeiten so wenig respektiert.    

Mittwoch, 16. Juli 2014

Das zweite Wochenende im Juli

In diesem Jahr jährte sich das Nepomukfest zum 46. Mal. Es ist wohl eines der ältesten Straßenfeste in Südbaden, startet immer am zweiten Freitag im Juli und endet am darauffolgenden Montag. Es gibt kein Jahr, an dem ich nicht dabei war. Nun gut, die ersten Jahre beschränkte sich mein Aktionsradius auf das Kinderkarussell, allerdings zog ich im Laufe der Jahre immer weitere Kreise.

Mittlerweile hat sich der Kreis wieder etwas eingeengt. Ich bewege mich hauptsächlich zwischen  der Laube des FC Neuenburg und dem Weinbrunnen des Männergesangsvereins, wo ich mich mit Gaby und Hubert verabrede. Zur selben Uhrzeit, am selben Treffpunkt, wie letztes Mal. Und wenn wir dann irgendwann mit unseren Rollatoren angeschoben kommen, haben wir sogar eine Sitzgelegenheit. 

In diesem Jahr spielten am Freitag "Fashion" auf dem Tanzboden gegenüber ein Medley von Andrea Berg. Was für den Neandertaler ein Säbelzahntiger, ist für mich Andrea Berg. Mein einziger Gedanke war, ich muss hier weg und so spurtete ich an den Bierbrunnen der Riesirutscher. Dort standen Theresa und Matze. Ihre Begeisterung, mich zu sehen hielt sich in engen Grenzen. Mit Mutti auf dem Nepomukfest ist nicht so ihres. Theresa machte mich auch gleich darauf aufmerksam, dass auch Susi und Thommy da seien.
Es wurde ein richtig langer Abend am Weinbrunnen, zum Schluss traf ich Matze nochmal und mittlerweile war es ihm auch egal, mit Mutti rumzustehen.

Samstag ist nicht so mein Tag. Samstag überlasse ich gerne den Auswärtigen, die in Scharen das Fest bevölkern. Außerdem habe ich wirklich jedes Spiel der Fußball-WM gesehen und da verstand es sich von selbst, dass ich auch das Spiel um Platz 3 anschaute. Erschwerend kam hinzu, dass Gaby und Hubert ihren Enkel hüteten und Bernie beim FC Neuenburg festgetackert war. Die Ballermannmusik ging mir auf den Senkel und ich zog es vor, nach Hause zu gehen. Bernie folgte später.

Sonntag hatte Bernie Dienst in der Küche des FCN. Die Küchencrew hatte ganz schön viel zu tun und ich beschloss, ihnen zu helfen. Ich erklärte Bordi, dass ich seinen Job an der Spülmaschine übernehme. Er so: Ja echt jetzt. Ich so: Klar, kein Problem. Er so: Jetzt wirklich. Ich so: Das krieg ich hin. Er konnte kaum glauben, dass jemand, der nicht auf dem Dienstplan steht, einfach so aushilft. Vielleicht kennt er das nicht. Susi und ihre Tante Ulla wirbelten auch in der Miniküche, wobei Tante Ulla eindeutig Chef im Ring war. Tante Ulla erinnerte mich an eine Sprechpuppe, an der der Ausschaltknopf kaputt gegangen ist. Ihre Idee, die Küchenprofis in die Nepomuklaube zwecks Verbesserung der Arbeitsabläufe etc. einzuladen, finde ich immer noch irgendwie ... schräg.
Den Plan, evtl. nach dem Finale noch aufs Fest zu gehen, verwerfe ich. 

Fête de jour. Am 14. Juli wurde die Bastille gestürmt, heute stürmen die Franzosen Aldi, DM und Lidl. An französischen Feiertagen wird die Stadt heimgesucht, es reiht sich Stoßstange an Stoßstange und ich bin jedesmal schier fassungslos darüber, warum die Franzosen, nur weil Feiertag ist, in unsere Stadt einfallen.  
Heute steht in der Badischen Zeitung, es wären weniger Franzosen da gewesen als von den Vereinen erhofft. Echt jetzt? Für mich waren es genug.

Ein letztes Mal treffen wir uns am Weinbrunnen und wie in jedem Jahr sind wir erstaunt über die Menschenmassen, die sich zwischen den Lauben Zentimeter um Zentimeter vorankämpfen.
Ey Alter, dann muss isch auf Klo un isch an Boxauto vorbei, ey, abba macht nix, war Sekuriti am Start Alter. Die reden wirklich so.
Nach dem Feuerwerk lichten sich die Reihen etwas. Auch an diesem Abend wird es etwas später.


Ich bin gerade von meinem nächtlichen Spaziergang mit dem Hund wieder zu Hause, da treffe ich Theresa im Flur. Die Frage, ob ich etwa ein klein wenig zu viel getrunken hätte, verneine ich beinahe empört. Und warum ich dann meinen Schal hinten aus der Jogginghose raushängen habe, war Resis nächste Frage und sie schaute mich streng an. Darauf habe ich natürlich nicht wirklich eine plausible Antwort und verweise auf den neuesten Modetrend. Wer für immer einen Platz in meinem Herzen haben möchte, der möchte bitte, wenn er Theresa das nächste Mal sieht, einen Schal hinten aus der Hose hängen lassen - vielen Dank im Voraus.

Auch in der weiter östlich gelegenen Nachbarstadt versucht man sich, eine ähnliche Atmosphäre auf ihrem Stadtfest zu schaffen und man kann ihnen nicht absprechen, dass sie sich nicht bemühen würden. Allerdings muss ich aus meiner Sicht sagen, es gelingt ihnen nicht wirklich. Wer zu seinen Gästen mittags um vier sagt, tut mir leid, es gibt von vier bis sechs nichts zu essen, die Küche mache zu, der muss noch etwas an seiner Willkommenskultur arbeiten. 

Es würde mir was fehlen, ohne das Nepomukfest. Es gibt tatsächlich Menschen, die sich sehr freuen, mich mal wieder zu sehen. Und umgekehrt. Das tut gut. Es gibt Menschen, die sieht man nur einmal im Jahr, immer zur gleichen Zeit, immer am zweiten Juliwochenende. 








  

Montag, 14. Juli 2014

Public Viewing - zu Gast bei Freunden

Eine WM oder EM wäre ohne das Public Viewing bei Jenneweins nur halb so schön. Seit der WM 2010 treffen wir uns in wechselnder Besetzung, um gemeinsam die Spiele der Nationalmannschaft anzuschauen. So auch in diesem Jahr.

Lecker Essen, Caipirinhas, Bier, Sekt, Wasser mit oder ohne Pfuhs (für meine amerikanischen Leser: gas) und eine überaus versierte Expertenrunde - so lässt sich ein Fußballgroßereignis genießen.

Deutschland - Portugal       4:0
Lässig. So könnte es weitergehen. Alle außer Hubert tragen ein Deutschlandtrikot. Hubert trägt als Zeichen des Respekts an das Gastgeberland ein Brasilientrikot. Wir lassen es ihm durchgehen. Aber nur dieses eine Mal. Als Ronaldo den Freistoß gegen die übermächtige Ein-Mann-Mauer Lahm schießt, schmeißen wir uns weg vor Lachen.

Deutschland - Ghana         2:2
Das kleinste Public-Viewing-Team trifft sich heute bei mir. Gaby und Hubert gondeln in Italien rum und meine Mädels sehen fremd. Lisa und ich gönnen uns erst einmal brasilianisches Hühnchen mit Reis und sind der Meinung, dass das eigentlich eine klare Sache sein müsste. Ist es natürlich nicht, umso mehr freut es uns, dass "unser" Boateng das Duell gegen seinen Bruder klar für sich entscheiden konnte. 

Deutschland - USA            1:0
Das letzte Vorrundenspiel. Diesmal wieder im Rohrkopf. Finn und Jörg sind als Verstärkung aus dem Schwarzwald mit dabei. Als echte Fußballfreaks treibt uns Mädels die Frage um, wie Beckerman mit so einer Frisur spielen kann. Der muss doch schwitzen wie Sau. Und wäscht er sich die Haare nach dem Spiel? Wohl eher nicht und wie macht er das dann? Doch ja, das 1:0 haben wir auch bejubelt.

Deutschland - Algerien      2:1 nach Verlängerung
Achtelfinale. Anspiel leider erst um 22 Uhr. Und dann noch Verlängerung. Wir konnten es kaum fassen. Wenn die Algerier gewinnen muss ich mir ne Burka nähen, wenn ich in den DM zum Einkaufen gehe. Irgendwann lungern wir wie die Jünger am Ölberg auf der Couch (bzw. Lisa in ihrem Sitzsack) rum. Das alles entscheidende 2:1 feiern wir im Liegen. Wobei sich Hubert mit Schweini solidarisch erklärt. Auch Hubert kriegt einen Krampf im Oberschenkel.

Deutschland - Frankreich  1:0
Viertelfinale. Diesmal wieder bei uns und sogar draußen im Hof. Was allerdings nicht ganz unproblematisch war, weil die Bildqualität nicht so besonders und es relativ hell war. Da hätte es auch nichts genützt, wenn man die Rollläden an den Fenstern geschlossen hätte.
Wenn sie heute gegen die Franzosen verlieren, dann schließen wir uns eine Woche ein. Nicht auszudenken, was im Städtle los gewesen wäre. Zwischendurch tropfen auch noch die überreifen Kirschen vom Kirschbaum auf uns runter. 

Deutschland - Brasilien      7:1
Halbfinale. Legendär. Simon durfte nicht mit, er war für Brasilien. Drei Tore habe ich gar nicht gesehen. Beim Stande von 3:0 war es an der Zeit für lecker Caipi. Gaby rannte nach einer Flasche Sekt (wozu, wissen wir bis heute noch nicht. Sie war plötzlich der Meinung, dass man Caipi mit Sekt auffüllt. Caipigaby sozusagen). Jedenfalls war ich in der Küche am Wirken, da sprang Lisa wie irre im Wohnzimmer rum. Kaum sah ich mir die Wiederholung an und ging wieder zurück zu meinen Caipigläsern, da fiel auch schon das 5:0. 
"Bin ich froh, dass ihr wieder was zum Stopfen habt", meinte Mäc, als Lisa, Gaby und ich uns hingebungsvoll unserem Caipi gewidmet haben. Beim 7:0 habe ich mich angeregt mit Gaby unterhalten und bin dem Spielgeschehen nur halbherzig gefolgt. Ich denke an meine brasiliansiche Nachbarin, die mir ein klein wenig leid tut. Aber nur ein klein wenig.

Deutschland - Argentinien  1:0 nach Verlängerung
Finale. Mit den Nerven am Ende. Ich beneide all jene, die mit Fußball so gar nichts am Hut haben. Sie verbringen einen unaufgeregten Tag. Im Gegensatz zu mir. Ich bin froh, dass die WM zu Ende ist. Länger hätten meine Nerven diese Alles-oder-Nichts-Spiele auch nicht ausgehalten. Diesmal darf auch Simon mit. Hubert heitert uns mit seinen Späßchen auf (na ja, Gaby fand es nicht so witzig) und um sich abzureagieren ist das Zerstoßen von Crushed Ice in mikroskopisch kleine Teilchen nahezu ideal. Als wir endlich Weltmeister sind, gibt es natürlich für uns kein Halten.
"Und der Hoeneß sitzt im Knast", meinte Simon. Schön, dass er auch an jene denkt, denen es momentan nicht so gut geht. Der Versuch eines Selfies scheitert kläglich. Ich bedauere jeden, der sich nicht für Fußball interessiert. Wie langweilig muss so ein Leben sein. 



So seh'n Sieger aus ...












... na ja, so ähnlich jedenfalls










Und ich weiß jetzt auch, warum das K.o.-Runde heißt.

Donnerstag, 10. Juli 2014

Kinderarbeit

Am letzten Samstag feierten die Trainer und Betreuer des FC Neuenburg mit einem Grillfest den Saisonabschluss.

Wir saßen in gemütlicher Runde zusammen (also alle außer Ralf und Hansi, die haben nämlich gegrillt, was natürlich blöd und nicht wirklich Sinn der Sache war). Es wurde über dies und das geredet und ich habe keine Ahnung, wie wir auf das Thema Kinder zu sprechen kamen. 

Jörg (in der Sprache der Sioux heißt er: Der, Der in Zahlen denkt) meinte dazu, Kinder zu erziehen mache keine Arbeit. Er hat mir wohl angesehen, dass ich ihn in diesem Augenblick am liebsten an den Ohren über den Platz gezogen hätte. Er versuchte, die Situation zu retten indem er ergänzte, also es mache schon Arbeit, es sei aber keine Arbeit. Natürlich rettete er damit rein gar nichts.

Man muss wissen, dass Jörg im richtigen Leben Diplomvolkswirt und wissenschaftlicher Mitarbeiter mit einem Lehrstuhl für betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ist. Da sieht man mal wieder, dass offensichtlich intelligente Menschen nicht immer kluge Dinge sagen.

Auf den ersten Blick hat er natürlich recht. Kinder großzuziehen stellt ja zunächst keine monetäre Wertschöpfung für die Gesellschaft dar. Das heißt, ich zahle für meine Arbeit als Erziehungsberechtigter keine Steuern und Sozialabgaben. Auf den zweiten Blick ist das natürlich Quatsch. Die Wertschöpfung meiner Arbeit beginnt halt etwas später. In unserem Fall zahlen nämlich zwei Endprodukte (also Matze und Resi) Steuern und Sozialabgaben und das dritte Produkt (Mäc) immerhin schon Sozialabgaben, die Steuern folgen selbstverständlich später. Das Thema Rente sei an dieser Stelle nicht erwähnt.

Übrigens profitiert während des Nepomukfestes (und nicht nur dann) auch der FC Neuenburg von der von uns geleisteten Erziehungsarbeit. 

Als Arbeit wird leider nur definiert, wofür man auch bezahlt wird. Solange man aber Erziehungsarbeit nicht den Stellenwert zukommen lässt, die sie verdient, solange wird sich an den mickrigen Geburtenraten in Deutschland nicht wesentlich etwas ändern. Denn die haben nicht nur mit fehlenden Krippenplätzen zu tun.



  






Sonntag, 6. Juli 2014

Bernie ante Portas

Neben der "Herr-der-Ringe Trilogie" gehört Loriots "Pappa ante Portas" zu meinen Lieblingsfilmen. 
Leider habe ich Loriot nie persönlich kennen gelernt, deshalb wundere ich mich, wie es ihm trotzdem möglich war, über Bernie einen Film zu drehen.
Zur Erklärung für alle, die den Film nicht kennen: Heinrich Lohse, Einkaufsdirektor der Firma Deutsche Röhren AG, bestellt für seine Firma Schreibpapier für die nächsten 40 Jahre - wegen des Mengenrabatts - und wird deshalb in den vorzeitigen Ruhestand geschickt.

Dieses Einkaufsverhalten ist mir auch von meinem Mann wohlbekannt. Auch in unserem Vorratsraum stapeln sich Waren, die uns mühelos einen Atomkrieg überstehen lassen. Wir haben jede erdenkliche Sorte Pizza in der Gefriertruhe und das Crushed Ice reicht für Caipirinhas bis an mein Lebensende.

Dem Angebot, nimm zwei, bezahle einen Kasten Mineralwasser, konnte er natürlich nicht widerstehen. Im Keller stapelten sich 24 Kisten Mineralwasser.

Kugelschreiber. Im vorigen Jahrtausend gab es irgendwo Kugelschreiber im Angebot. 10 Stück für 1 € . Natürlich hat Bernie 10 Päckchen gekauft, so dass er nicht weniger als 100 Kugelschreiber sein Eigen nannte. Und noch immer nennt. Denn wirklich in Gebrauch sind nur die Kugelschreiber, die er sich bei allen erdenklichen Firmen zusammenschnorrt.

Laminierfolie, CD-Rohlinge, Kopierpapier, Paketklebeband, Kleber, Textmarker, Briefumschläge,Tesafilm - alles in Hülle und Fülle vorhanden. 

Socken. Selbstverständlich im handlichen Zehnerpack gekauft, ebenso T-Shirts und Unterhosen. Bernies Ankleidezimmer treibt jeder Shopping-Queen Tränen in die Augen.

IKEA. Das Mekka des "Ich kaufe gerne mehr davon". Noch immer habe ich originalverpackte Geschirrtücher im Schrank liegen. Ebenfalls im Zehnerpack. 

Mit meinen Teelichtern könnte ich ohne Probleme das Freiburger Münster illuminieren und mit den Streichhölzern den Kölner Dom in Originalgröße basteln.

Auf Nachfrage benötige ich prinzipiell nichts von ALDI oder LIDL. Die Gefahr ist erfahrungsgemäß einfach zu groß, dass sich meine Wünsche über die Maßen erfüllen. Alleine nach der Andeutung, man hätte mal wieder Lust auf einen Joghurt füllt den Kühlschrank mit derer zehn in allen Geschmacksrichtungen.

Hätte Bernie den Auftrag erhalten, die Arche zu bauen, er hätte garantiert nicht nur ein Paar von jeder Spezies mitgenommen. Er hätte wahrscheinlich zwei oder drei Archen gebaut. Oder bei IKEA im handlichen Zehnerpack erstanden.   







Dienstag, 1. Juli 2014

Ein Hoch auf ... euch

Ehrlich gesagt, steckt mir der Abiball buchstäblich immer noch in den Knochen. Das kommt davon, wenn man bis halb drei im Stadthaus rumhopst, als gäbe es kein Morgen.
Was sich außerdem hartnäckig in meinem Kopf festgesetzt hat, ist die Rede von Rektor Kaltenbacher.  

Es gibt Chancen, die hat man mehrmals im Leben. Wenn der FC Bayern in diesem Jahr die CL nicht gewinnt, dann halt im nächsten Jahr.
Dann gibt es Chancen, die hat man nur einmal. Zum Beispiel den entscheidenden Elfmeter im Endspiel der WM zu schießen und sich damit unsterblich zu machen. Oder seine Abiturienten mit aufmunternden, um nicht zu sagen segensreichen, Worten ins Leben zu entlassen. Aber, sorry, diesen Elfer hat Kaltenbacher hoffnungslos verschossen (ich bin im WM-Modus, man möge mir die Fußballmetaphern bitte verzeihen). 

Ich hätte mir für euch ganz andere Worte gewünscht, als die Nörgelei über einen zu schlechten Gesamtschnitt und darüber, dass sich möglicherweise nicht alle richtig um einen besseren Schnitt bemüht hätten. Die Frage, ob möglicherweise der ein oder andere unter euch nicht mit der nötigen Sorgfalt betreut wurde, stellte er leider nicht. Nicht jeder Lerninhalt, egal in welchem Fach, wurde möglicherweise so vermittelt, dass er auch für alle nachzuvollziehen war. Manchmal passen Trainer und Spieler einfach nicht zusammen.

Und seien wir ehrlich: Was nützt mir ein Superabiturient, den man ansonsten in der Pfeife rauchen kann? Eben.

Ich hätte mir gewünscht, er hätte euch gesagt, wie einzigartig ihr seid. Liebenswert, jeder auf sein Art. Dass ihr wertvoll seid und sich dieser Wert nicht an Zahlen festmachen lässt. Ihr seid auf dem Sprung in das größte Abenteuer überhaupt: dem Leben. Und dieses Leben kennt keine Bewertungen vor und nach einem Komma. 

Ich hätte mir gewünscht, er hätte euch Mut gemacht, voll Zuversicht in diesen neuen Lebensabschnitt zu gehen. Ihr verlasst den geschützten Raum der Schule, und manchen macht die Vorstellung Angst, von jetzt an das Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Richtungsweisende Entscheidungen zu treffen und mit den Konsequenzen leben zu müssen.

Lasst euch nicht einreden, wie ihr persönlichen Erfolg zu definieren habt. Euer Weg wird ab und an über Umwege verlaufen. Doch diese Umwege werden euch bereichern. Manchmal erweist sich der bequemere Weg als die schlechtere Entscheidung und manchmal wächst man nach Niederlagen über sich hinaus.

Habt den Mut, auch gegen Widerstände zu eurer Meinung zu stehen und rennt nicht allem nach, was gerade angesagt ist. Habt den Mut, eure Meinung zu revidieren und Fehler einzugestehen. Fehler zu machen ist ein Vorrecht der Jugend.

Lasst euch nicht manipulieren und seid wachsam. Lernt, zu hinterfragen und nicht alles als Gegeben hinzunehmen.

Ihr könnt nicht die ganze Welt, aber ihr könnt eure Welt zu einem besseren Ort machen. Und da spielt der Notendurchschnitt überhaupt keine Rolle.